Ethereum-Merge: Das kann auf Investoren zukommen – Forbes … – Forbes

Zwischen dem 10. und 20. September soll es so weit sein: Der Ethereum-Merge soll nach vielen Verzögerungen nun stattfinden. Es dürfte sich um eines der größten, wenn nicht sogar um das größte Ereignis in der Krypto-Welt bislang handeln.

Forbes Advisor Deutschland hat mit Marc-Thomas Arjoon, CFA, Research Analyst beim Krypto-Vermögensverwalter Coinshares, gesprochen. Er erklärt, womit Ethereum-Investoren zu rechnen haben und wie sich der Merge auf die Rendite auswirken könnte.

Zunächst geben wir Dir einen Einstieg in das Thema Ethereum 2,0, den Merge und den wichtigen Ereignissen rund um das Event.

Was ist der Merge?

Ein Merge beschreibt eine Verschmelzung. Genau dies will Ethereum im Zuge des Upgrades auf Ethereum 2.0 in einem Zwischenschritt bezwecken. Denn aktuell gibt es zwei verschiedene Ethereum-Blockchains: die Mainchain und die Beacon Chain. Beide Blockchains sollen beim Merge miteinander verschmelzen.

Bisher setzt die Ethereum-Blockchain auf einen Proof-of-Work-Algorithmus. Neue Ether Coins entstehen durch energieintensives Mining. Beim Mining werden Transaktionen validiert, indem Miner hochkomplexe Aufgaben lösen und einen Teil der Gebühren als Belohnung erhalten.

Die Beacon Chain setzt hingegen auf den Proof-of-Stake-Konsensmechanismus. Beim Staking werden hingegen bereits bestehende Coins als Nachweis dafür genutzt, dass Transaktionen echt sind. Hierfür erhalten die sogenannten Stakeholder eine Belohnung in Form in Ethereum. Der Prozess spart zudem mehr als 99 Prozent der Energie ein.

Ethereum ändert im Zuge des Upgrades den Konsensmechanismus der Mainchain vom Proof of Work auf den Proof-of-Stake-Algorithmus

Die Beacon Chain läuft bereits seit Monaten parallel zur Mainchain. Investoren können Ihre Coins hinterlegen, um durch das Staking zusätzliche Ether Coins zu verdienen. Allerdings können Sie diese nicht abheben, bis das Upgrade auf Ethereum 2.0 abgeschlossen ist. Auch nach dem Merge wird sich dies zunächst nicht ändern. Der Merge selbst ist nur ein Zwischenschritt des Upgrades.

Die Schwierigkeit der Umstellung liegt darin, dass die laufenden Anwendungen auf der Ethereum-Blockchain nicht beeinträchtigt werden dürfen. Insbesondere Fehler könnten das Ende von Ethereum beflügeln. Daher hat sich die Ethereum Foundation dazu entschieden, beide Blockchains zunächst parallel laufen zu lassen und keine Änderungen an der Mainchain vorzunehmen. 

Stattdessen hat man den Merge in verschiedenen Testumgebungen mit Testnets erfolgreich durchgeführt. Beim Merge wird die Beacon Chain nun mit der Mainchain zusammengeführt. Zudem aktiviert die Ethereum Foundation die „Difficulty Bomb”. Dadurch wird die Schwierigkeit des Minings extrem angehoben und in der Praxis unmöglich. Fortan wird Ethereum nur noch auf den Proof-of-Stake-Konsensmechanismus setzen.

Warum wird der Merge durchgeführt?

Auch wenn es so wirken mag, dass Ethereum den Merge und das Upgrade auf Ethereum 2.0 durchführt, um die Energiebilanz der Blockchain und Kryptowährung zu verbessern, ist es nur ein Nebeneffekt.

Ethereum will die Blockchain nämlich skalierbarer machen. Bisher sind Transaktionen auf dem Netzwerk zu teuer und langsam. Das macht es schwierig, die Ethereum-Blockchain für massentaugliche Projekte zu benutzen.

Blockchains mit dem Proof-of-Stake-Konsensmechanismus sind hingegen einfacher zu skalieren. Es sind mehr Transaktionen zu niedrigeren Gebühren möglich. Allerdings ist eine solche Blockchain deutlich weniger dezentralisiert. Wer mehr Coins besitzt, ist an mehr Transaktionen als sogenannter Validator beteiligt.

Mit dem Upgrade auf Ethereum 2.0 soll die Ethereum-Blockchain also vor allem effizienter werden. Mit dem Merge selbst ändert sich an den hohen Gebühren im Netzwerk jedoch erst einmal nichts. Der Zwischenschritt ist allerdings unerlässlich.

Der Merge hat zudem finanzielle Auswirkungen auf die Ethereum-Miner. Ethereum-Miner benötigen spezielle Hardware, um Ether Coins minen zu können. Diese ist bereits sehr kostspielig. Zudem kommen immense Stromkosten aufgrund des hohen Strombedarfs hinzu. Letztlich wird der Mining-Prozess finanziert, indem Miner die geschürften Ether-Coins auf dem freien Markt verkaufen. Damit wird durch das Mining ein größeres Angebot an Ether Coins geschaffen.

Wie wird sich der Merge auf die Rendite durch Ethereum auswirken?

Marc-Thomas Arjoon, Research-Analyst des Bitcoin-ETN-Anbieters CoinShares, hat gegenüber Forbes Advisor Deutschland einen spannenden Ausblick auf die Auswirkungen eines erfolgreichen bzw. gescheiterten Merges gegeben.

1. Auswirkungen eines erfolgreichen Merges

Forbes Advisor: Herr Arjoon, angenommen, der Merge verläuft erfolgreich. Müssen Investoren befürchten, dass zu Beginn viele Ethereum-Staker bzw. Validierer ihre gestakten Ether Coins auf dem freien Markt veräußern und so einen Kurssturz auslösen?

Marc-Thomas Arjoon: Unter der Annahme, dass der Merge erfolgreich ist und im September stattfindet, werden Abhebungen nicht sofort möglich sein. Auszahlungen werden erst 6-12 Monate nach dem Zusammenschluss erwartet. Selbst dann gibt es beim Ausstieg eine Warteschleife – etwa 1.100 Validierer pro Tag, und je weniger Validierer im Einsatz sind, desto weniger können pro Tag aussteigen. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass kein unmittelbarer Verkaufsdruck besteht und es trotzdem eine Warteschlange für Auszahlungen geben wird.

Bisher haben Ethereum-Miner auf der Verkaufsseite einen großen Verkaufsdruck ausgeübt. Dieser fällt durch den Wechsel auf den Proof-of-Stake-Konsensmechanismus weg. Welche Auswirkungen hat das auf die Kursentwicklung von Ethereum?

Das ist richtig. Derzeit werden jeden Tag rund 13.500 ETH ausgegeben, von denen ein großer Teil verkauft wird, um den Mining-Betrieb aufrechtzuerhalten. Unter Proof of Stake sinkt dies auf 1.600 ETH pro Tag und diese Belohnungen können so lange nicht verkauft werden, bis Abhebungen wieder möglich sind. Aber auch danach sind die Energiekosten für das Staking um mehr als 99 Prozent niedriger und erfordern keine häufigen Neukäufe von Hardware. Es wird ein viel nachhaltigerer Blockchain-Validierungsprozess werden, wenn man Energie, Wartungs-/Ersatzkosten und andere Ressourcen berücksichtigt.

Wenn Ethereum den Zusammenschluss meistert, dürfte das für Euphorie bei Investoren und Krypto-Enthusiasten sorgen. Sollten Investoren ganz nach dem Sprichwort „buy the rumor, sell the news“ kurz vor und nach dem Merge umso vorsichtiger sein oder ist das Szenario Ihrer Meinung nach bereits eingepreist?

Das Ausmaß an asymmetrischen Informationen im Zusammenhang mit dem Merge führt zu einer Vielzahl von Narrativen, so dass wir mit einer hohen Volatilität rechnen. Das Sprichwort „buy the rumour, sell the news” (kaufe das Gerücht, verkaufe die Nachricht) ist durchaus zutreffend und würde nach der Fusion zu Verkaufsdruck führen. Gleichzeitig bedeutet die Fusion aber auch, dass sie erfolgreich war und die Abwicklungs- und Implementierungsrisiken verringert. Anleger sollten wie immer mit Bedacht vorgehen und mit schwankenden Kursen und Meldungen rechnen.

Die Staking-Erträge von Ethereum sind davon abhängig, wie viele Coins gestakt werden. Mit welcher Veränderung haben Investoren nach einem erfolgreichen Merge zu rechnen?

Ein Teil der Einsatzrenditen (ca. vier Prozentpunkte) hängt davon ab, wie viele Coins im Einsatz sind, und man kann davon ausgehen, dass diese relativ konstant bei diesen rund vier Prozent bleiben werden. Aktuell wird prognostiziert, dass die Staking-Renditen bei etwa acht Prozent liegen werden. Die andere Hälfte dürfte aus dem „maximal extrahierbaren Wert” (MEV), eine zusätzliche Form für Miner-Erträge bestehen. Dann gibt es noch Tips, eine Gebühr, die Nutzer zahlen, um die Wahrscheinlichkeit für die Aufnahme ihrer Blöcke in die Chain zu erhöhen. Zusammenfassend können wir davon ausgehen, dass die Staking Erträge nach dem Merge steigen werden.

Insbesondere institutionelle Investoren haben beim Einsatz von Kryptowährungen Bedenken aufgrund der (schlechten?) Ökobilanz. Durch den Proof-of-Stake-Konsensmechanismus wird Ethereum künftig 99,9 Prozent weniger Energie benötigen. Öffnet das die Türen für weitere institutionelle Investoren?

Gewiss, die meisten. Wir haben mit Investoren gesprochen, die aufgrund des Energieverbrauchs von Proof-of-Work-Blockchains ESG-Beschränkungen haben, daher wird der Wechsel zu Proof of Stake begrüßt. Wir sind der Meinung, dass dies nicht nur den institutionellen Anlegern, sondern auch der breiten Öffentlichkeit helfen wird und die kommerziellen Möglichkeiten der Blockchain erheblich erweitern wird.

Auf der anderen Seite vertreten manche Nutzer die Meinung, dass der Proof-of-Stake-Konsensmechanismus nicht sicher und dezentralisiert genug ist. Es dürften sich daher einige Befürworter von Ethereum abwenden. Wie groß dürfte sich dieser Effekt auf die Rendite auswirken?

Wir gehen davon aus, dass die Nutzer kurzfristig mehr Wert auf Leistung und Kosten als auf Dezentralisierung legen. Längerfristig könnte sich jedoch die grundlegende Bedeutung der Dezentralisierung durchsetzen. Der Proof of Stake ist ein Konsensmechanismus und kein Maß für die Dezentralisierung, die ein Spektrum darstellt. Auch wenn wir glauben, dass die Dezentralisierung von Ethereum noch stark ausbaufähig ist, so gibt es doch bereits über 400.000 Validatoren, die ihre Einsätze leisten. Dabei ist sicherlich relevant, dass eine Person mehr als einen Validator kontrollieren kann. 

Was die Sicherheit angeht, dürfte Ethereum nach dem Zusammenschluss die krypto-ökonomisch sicherste Blockchain sein. Ein robustes Belohnungssystem (Renditen) und Sanktionssystem (Slahsing), das von über 13 Millionen ETH (~28 Mrd. USD, Stand August 2022) unterstützt wird, ist beispiellos. Die meisten Ethereum-Nutzer scheinen den Merge zu begrüßen und ich glaube nicht, dass die Gegenstimmen laut genug sein werden, um einen wesentlichen Verkaufsdruck auszuüben.

 2.  Auswirkungen eines fehlerhaften Merges

Was passiert mit den gestakten Ether, wenn es wider Erwarten zu einem Fehler beim Merge kommt? Verlieren Investoren dadurch Ihre Einlagen?

Die ETH Locked-in Staking-Verträge existieren auf der Beacon Chain und können nicht abgerufen werden. Der Merge ist die Verschmelzung der Beacon Chain mit der aktuellen Transaktionskette, wodurch sich lediglich der Konsensmechanismus ändert. Von allen möglichen Risiken ist der Verlust der ETH für die Anleger eines der geringsten. Im schlimmsten Fall könnte es eine koordinierte Initiative in der Community geben, um die verlorenen ETH zurückzuholen, aber das wäre umstritten und chaotisch.

Wie wirkt sich ein fehlerhafter Merge auf die Rendite anderer Kryptowährungen aus? Welche Profiteure und Gewinner gibt es in diesem Fall?

Dies könnte dazu führen, dass der gesamte Markt kurzfristig an Glaubwürdigkeit verliert. In Abhängigkeit vom Ausmaß des fehlerhaften Zusammenschlusses würde dies Wettbewerbern wie Solana, Cosmos und anderen Layer-1-Unternehmen, sogenannten Hauptblockchain-Netzwerkprotokollen, die Möglichkeit bieten, ihre Entwicklungspläne zu präsentieren. Damit dürfte in dem Zuge mehr Kapital in diese Unternehmen fließen.

Herr Arjoon, vielen Dank für das Gespräch.

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